Migrationsarme FPG-Produkte

Interviewpartner

Jürgen Harenz
Produktionsverantwortlicher
ECKART GmbH

Veröffentlicht

09.09.2020

Jürgen Harenz ist Anwendungsspezialist für die Druckindustrie. Bei ECKART war er unter anderem daran beteiligt, den Produktionsprozess der migrationsarmen FPG-Produkte aufzubauen. Heute verantwortet er die Process Maintenance bei der Herstellung von Druckfarben für Lebensmittelverpackungen.

„Welche Anforderungen stellt das Thema Lebensmittelsicherheit an die Herstellung von migrationsarmen Druckfarben?“

Wir wollen sicherstellen, dass unsere Farben keine Rohstoffe oder Verunreinigungen enthalten, die aus der Verpackung in die Lebensmittel migrieren könnten. Theoretisch kann zum Beispiel eine derartige Migration passieren, wenn die Verpackungen nach dem Drucken gestapelt werden. Dann berührt die bedruckte Außenseite des einen Kartons die Innenseite des anderen, und es kann zum so genannten Abschlagen der Farbe kommen. Sind kritische Bestandteile erst einmal auf die Innenseite der Verpackung gelangt, ist eine Kontamination des Lebensmittels wahrscheinlich. Aufgeschreckt wurde die Branche übrigens durch einen Fall, bei dem 2005 ein Photoinitiator für UV-härtende Druckfarben in dem verpackten Lebensmittel gefunden worden war. Zwar hat sich im Nachhinein herausgestellt, dass der Stoff nicht über die Maßen kritisch ist, aber er hat die Branche sensibilisiert.

„Welche Folgen hatte das Ereignis für den Druckfarbenmarkt?“

Er hat sich komplett neu organisiert, was das Thema Lebensmittelverpackung und Migration betrifft. Heute ist die sogenannte Schweizer Liste, eine Positivliste, maßgeblich. Sie ist inzwischen international anerkannt und unterteilt Rohstoffe, die sich für migrationsarme Druckfarben eignen, in zwei Gruppen. Die Gruppe A enthält Stoffe, die bereits getestet sind und für die es jeweils eigene Grenzwerte gibt. Die weitaus größere Gruppe B umfasst die Stoffe, die noch nicht (ausreichend) getestet sind. Für sie wurde ein Grenzwert von 10 ppb festgelegt. Diese Menge darf maximal in ein verpacktes Lebensmittel übergehen.

„Also extrem wenig?“

Richtig, und es ist auch extrem aufwändig, eine derartig kleine Menge überhaupt nachzuweisen. Ein Vergleich: Stellen Sie sich eine Menge mit mehreren tausend Menschen vor, aus der sich 100 entfernen und irgendwo auf der Welt unter den fast acht Milliarden Menschen „untertauchen“ – wie wollte man sie finden? Ähnlich komplex und damit aufwändig ist die Analytik für den Nachweis von solch geringen Mengen. Um dies zu vermeiden bzw. die Bedeutung zu reduzieren, haben wir uns für einen komplett anderen Weg entschieden. Wir wollen in unseren Produkten für indirekten Lebensmittelkontakt alle kritischen Stoffe ausschließen. Deshalb haben wir nicht nur eigene Formulierungen für migrationsarme Druckfarben entwickelt, sondern darüber hinaus eine eigene Produktionslinie für Sie aufgebaut. Dadurch konnten wir Produktionsprozesse etablieren, die jegliche Cross-Kontamination minimieren und weitestgehend ausschließen.

„Was bedeutet „eigene Produktionslinie“ konkret?“

Zunächst einmal die räumliche Trennung. Unsere FPG-Druckfarben werden nach den Vorgaben der Good Manufacturing Practice (GMP) in einem eigens für sie vorgesehenen Raum produziert, der von den anderen Produktionsräumen baulich getrennt ist. Zweitens gibt es – abhängig von der chemischen Basis – jeweils spezielle Produktionskessel. Denn auch hier ist es wichtig, dass Rohstoffe verschiedener Systeme nicht miteinander in Kontakt kommen (zum Beispiel UV-härtende und Lösemittel-Systeme).

„Wie viele Produktionsbehälter gibt es?“

Migrationsarme Farben für strahlenhärtende Verfahren mit UV oder LED machen etwa 95 Prozent unserer Produktion aus. Daher stellen wir dafür zwei Kessel bereit. Für wässrige, lösemittel- oder pflanzenölbasierte Lacksysteme gibt es jeweils einen. In allen migrationsarmen Produktionsverfahren wird aktuell ein Mischer genutzt. Daher haben wir ein eigenes Reinigungsverfahren für ihn entwickelt, das nach genauen Vorgaben abläuft und verhindert, dass eine Verunreinigung entsteht. Die Ergebnisse der Reinigung kontrollieren wir anhand eines ebenfalls exakt festgelegten Protokolls.

„Erhalten die Kunden einen Nachweis darüber, dass die FPG-Druckfarben migrationsarm sind?“

Mit unseren FPG-Produkten erhalten unsere Kunden zwei Dokumente als Nachweis: erstens die Unbedenklichkeitsbescheinigung und zweitens das SoC (Statement of Composition). Die Unbedenklichkeitsbescheinigung beruht auf einer Analyse eines externen Instituts, das unsere Druckfarbe den gängigen Analysen unterzogen hat und zu dem Ergebnis gekommen ist, dass sie migrationsarm ist. Das SoC ist ein zusammenfassender Überblick über alle Inhaltsstoffe. Dieses Dokument ist allerdings nur für den EHS-Verantwortlichen im Kundenunternehmen bestimmt.

„Wie stellt ECKART auf Dauer sicher, dass Produkte und Prozesse den gewünschten Vorgaben entsprechen?“

Dazu wenden wir die sogenannte Failure Mode Effects Analysis, kurz FMEA an. Sie ist eine anerkannte Methode und wichtiger Bestandteil unseres zertifizierten Qualitätsmanagements. Mit ihr analysieren wir die Wahrscheinlichkeit, mit der Fehler auftreten und entdeckt werden könnten. Diese Analyse führen wir mindestens alle zwei Jahre durch und müssen dafür alle Prozesse unter die Lupe nehmen, die für die Produktion und Abfüllung unserer Farben für Lebensmittelverpackungen wichtig sind.

„Hohe Qualität hat meist ihren Preis. Gilt das auch für die migrationsarmen Druckfarben von ECKART?“

In der Tat gehören unsere FPG-Produkte zu einem eher höherpreisigen Marktsegment. Aber für unsere Kunden zahlt sich dieser Aufwand aus. Erstens können sie ihren Kunden gegenüber einen lückenlosen Nachweis zum Thema migrationsarme Farbe führen und zweitens eröffnet sich damit für sie eine attraktive, schnell wachsende Marktnische.​​​​​​​

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